Photovoltaik für Wien als Bürgerbeteiligungsmodel – Ein Blick hinter die Zahlen  (Wien, 2. März 2012 )

 

Nun hat also Wien sein erstes Bürgerbeteiligungsmodell für ein Photovoltaikkraftwerk aufgelegt und die vorhandene Fläche bereits nach zwei Tagen vollständig verkauft.

Zeit für einen genaueren Blick hinter das Projekt das hinsichtlich seiner Gestaltung etwas an Transparenz zu wünschen übrig lässt.

Inhalt:

 

Der Auftakt:

Im November 2011 [6] gab es eine erste Information über die Absicht der Stadt Wien in Zusammenarbeit mit Wien Energie eine Bürgerbeteiligungsmodell für Photovoltaikanlagen zu erarbeiten.

Es folgte mit 9.12.2011 die Nennung einer Homepage auf der man sein unverbindliches Interesse an einer möglichen Beteiligung bekanntgeben konnte.

Dazu gehörte die Bekanntgabe der Absicht ob man Teile oder gar seinen ganzen Stromverbrauch über Photovoltaik abdecken möchte.

Dann hörte man länger nichts bis am 24.2.2012 eine sehr einfach gestaltete Email für den 28.2.2012 den Start des Vorhabens kündetet mit der dringenden Aufforderung möglichst schnell dabei zu sein da die Beteiligungsvolumen begrenzt seien. Nach dem Motto wer zuerst kommt malt zuerst wäre eine Vergabe möglich.

Nun liegen zwischenzeitlich spärliche Eckdaten wie folgt vor die es zudem auch im Presseausführungsformat gibt:

Die erste Anlage in Wien Donaustadt wird 2.100 Panele beinhalten die im Jahr 500.000 kWh Strom, was dem Verbrauch von rund 200 Haushalten entspricht liefern können.

Ein Panel kann um € 950 je Stück, bzw. für  € 475 auch nur ein halbes gekauft werden, und wird gewissermaßen vom Käufer per Vertrag an Wienstrom für 25 Jahre dauerhaft vermietet.

 

Rechenspiele:

Im Pressetext [5] werden 500 Kilowattpeak (kWp) also Spitzenleistung bei optimaler Bestrahlung genannt. Man geht also von nur rund 1000 relevanten Sonnenstunden im Jahr in unserer Gegend bei bekanntlich 8.760 Jahresgesamtstunden (inkl. Nacht) aus. 

Als Vergütung erhält der Käufer 3,1 % seines eingesetzten Kapitals pro Jahr ausbezahlt auf die nächsten 25 Jahre sowie danach den eingesetzten Kaufbetrag wieder voll zurück. Von der Kapitalbildung abgesehen und der Hoffnung dass die Inflation nicht höher denn 3,1 % ausmachen wird auf dem ersten Blick auch wirtschaftlich zumindest einmal neutral kalkuliert.

Der Nutzen also neben einem guten Ökogewissen auch auf einen 3,1 % Ertrag pa für einen auf 25 Jahre gebundenen Betrag X herausläuft.

Das wären an Kapitalertrag € 736,25 für 25 Jahre für ein 1,6 m² Panel falls nicht irgendwelche Bearbeitungs- und/oder Verwaltungsgebühren noch abgezogen werden sollten.

Somit nimmt das Konsortium mit dieser Aktion einmal € 950 x 2.100 Panele =  € 1.995.000,- ein. An Ausschüttung oder wie immer man es Bezeichnen will werden € 736,25 x 2.100 Panele =  € 1.546.125,- ausbezahlt zuzüglich der Refundierung des Einsatzkapitals nach 25 Jahren.  

Bezogen auf das öffentlich eingesammelte Projektkapital kostet also 1 Wp: € 1.995.000/ 500.000 Wp = € 3,99/ Wp.

Auf 25 Jahre gerechnet die Anlage somit 500.000 kWh x 25 = 12,5 MWh geliefert haben wird.

Vergleicht man dies mit einer privat errichteten Anlage aus dem Jahr 2007 in Deutschland – also einer Zeit als die erforderliche Technik noch ungleich teurer war, so waren es damals vor fünf Jahren bei einer vergleichsweise lächerlich anmutenden 8,34 kWp Anlage € 4,17 /Wp [7].

Eine 2009 errichtete Anlage weist bereits einen netto Investitionssatz von nur € 2,65 /Wh auf. Beispiele die sich sicher für 2010 und 2011 erneut niedriger ansetzen lassen zudem eine 500 kWp Großanlage sich weit wirtschaftlicher rechnen lassen müsste.

Was geschieht also mit den mindestens mehr als 33% höheren Investitionskosten bei Wienstrom?

Ob einem diese Rechnungen interessieren muss vom Ökogedanken abgesehen jeder für sich selbst beantworten.

Ebenso inwieweit die gesunkenen Bausparrenditen, Sparbuchzinsen oder sonstige Kapitalanlagen dem, abgesehen von der KEst, etwas entgegenzustellen haben und zudem eine Kapitalgarantie bieten können wie es Wienstrom wie auch die normalen Sparkassen letztere staatlich garantiert bis € 100.000 Einlage tun.

So würden 950 Euro bei 3,1 % Fixzinssatz auf 25 Jahre € 737,59 an Zinsen einbringen 25% KEst bereits abgezogen.

Bei angenommenen 5% Fixzinssatz auf 25 Jahre wären es € 1.434,66 KEst bereits abgezogen. 

Rein rechnerisch müsste also ein Durchschnittshaushalt den man mit rund 3.500 kWh Stromverbrauch im Jahr annimmt knapp 15 Panele kaufen was dem Wert von 14.200 Euro entspricht. Das (0,162 €/kWh) wäre frei von Geldmarktfinanzierungskosten und zuzüglichen Netzleitungskosten gerechnet, bereits das ungefähre Preisniveau des aktuell üblichen Netzebenen 7 Normalverbrauchers.  

Was Interessiert uns noch?

Mehr von Interesse ist es aber hinter die Kulissen von Stadt Wien und Wien Strom zu schauen ob den diese Rechnung tatsächlich zum Nutzen der Anleger erfolgte oder gezielt mit dem Unwissen und einer nicht bekanntgegebenen Kalkulation operiert wird?

Annahme:

Der Grund und Boden bzw. die Dachflächen – die Rede ist von verbauten 8.000 m² kostet de facto der Stadt nichts da sie bereits im Eigentum der Stadt Wien bzw. einer Tochterunternehmung steht und bisher offensichtlich lediglich eine ungenutzte Brachfläche war. Selbiges würde auch für alle südausgerichteten Wiener Gemeindebaudächer gelten die über Wiener Wohnen ohnehin der Stadt gehören und allfällige „Verrechnungen“ letztlich nur dienen könnten um einen neuen Inkassotitel für den Bürger zu erzeugen. Lediglich am „freien Markt“ verfügbare Aufstellflächen müssten unter Marktwirtschaftlichen Bedingungen gekauft bzw. gemietet werden wie des in Deutschland bereits praktiziert wird.

Um 3.360 m² Panelfläche mit 2.100 Panele zu erhalten ist der Einsatz von Panelen die je 1,6 m² Fläche aufweisen erforderlich.

Solche kosten im Großhandel (als reine Größenordnung - Wienstrom verhandelt sicher viel besser) netto € 158,40 und liefern 240 Wp was somit 500.000 Wp Gesamtanlagenspitzenleistung erreichen lässt und max. € 332.640 kosten würde.

Das Panel Wp also € 0,66 kostet. Das jetzt (€ 1.995.000 abzüglich € 332.640 =) € 1.662.360 der Wechselrichtersatz und die Montage alleine kostet entzieht meines Erachtens jeder Grundlage.

Hinzu kommt, dass auch Wien Energie mit einiger Wahrscheinlichkeit Förderungen sowohl für die Anlagenerrichtung selbst sowie pro eingespeister kWh Photovoltaikenergie erhält die diese Kalkulation nochmals zugunsten der Betreiber optimieren könnte.

Wiewohl die staatliche 2,1 Millionen Förderung (entspricht annähernd dem Bruttoanlagenumsatz der ersten Wiener Bürgerbeteiligungsanlage der Stadt Wien) im Februar 2012 bereits für das Jahr 2012 erschöpft war.

So bleiben wohl 9,58 Cent/kWh als Ökostromeinspeisetarif was bei 500.000 kWh/Jahr einen Ertrag von € 47.900 Euro einbringt bzw. ~€ 25.000,- im Fall eines nicht geförderten Einspeisetarifs.  

Strom der bekanntlich zu den allgemeinen Konditionen an die Kunden normal weiterverkauft wird. Im Vergleich dazu sei der allgemeine Stromeinkaufspreis von rund 5 cent/kWh auf dem Europäischen Markt [4] für 2/2102 genannt.

Die Anlage erzeugt also auf Basis des aktuellen Stromgroßhandelspreises 5 ct/kWh x 500.000 kWh/Jahr x 25 Jahre =  € 625.000,-/netto, wobei die Inflation und der Atomaustieg Deutschlands im Laufe der nächsten 25 Jahre sicher etwas höhere Preise erzielen lassen werden.

Zum Vergleich und nur als Größenordnung gedacht da anders ausgelegt und konzipiert ein Angebot für den Otto Normalverbraucherkunden, wonach in 2/2012 eine Photovoltaikkomplettanlage mit allen Montagematerial sowie Wechselrichter etc. OHNE Montage für 7.220 Wp für 10.840 Euro angeboten werden.

Das Anlagen Wp - Watt Peak also netto lediglich € 1,50 ohne Montage kostet.

Das Wartung, Reinigung und allfällige Reparaturen zwangsläufig auch zu bezahlen sind wurde nicht übersehen. Jedoch können ohne tatsächlich bekannten Anlagentyp keine Prognosen abgegeben werden wiewohl Wikipedia rund 1% p.a. der Anlageninvestitionskosten angibt womit wir wieder am Anfang wären..  

 

Erstes Zwischenfazit:

Für den Autor scheint die notwendige ökologische Bewusstseinsbildung in Sachen Strom und deren ökologischen Erzeugung zu der auch ein Verbraucherverhalten einhergehen muss auf ein abstraktes Vereinfachtes rein ökonomisches Finanzierungsmodel und dieses scheinbar zum Hauptvorteil seiner Initiatoren reduziert worden zu sein.

Ob dies der richtige Weg ist erneut auch hier „die Großen“ alles machen zu lassen weil ja „der Kleine“ sich keine Anlage selbst aufs Gemeindebaudach schrauben kann ist zu hinterfragen.

Den der Gewinn der „Großen“ besteht ja dann nicht nur in der Erzeugung, sondern auch der Verteilung der Energie was als Netzgebühr so weiterhin anfällt im Gegensatz zur direkten Nutzung gleich beim Verbraucher vor Ort. Das dies Stadt und Bund mit ihrem Wunsch nach anteiliger Mehrwertsteuer und anderen Abgabenzahlungen sehr entgegen kommt lässt sich einfach nachvollziehen.

Den bewussten Bürger schon einmal mehr selbst bei einem Bürgerbeteiligungsprojekt aus der Bürgerbeteiligungsdiskussion alleine schon dadurch herauszuhalten indem es gar keine gegeben hat, zeigt scheinbar schon die klare Linie wie sie auch in anderen Bereichen der Stadtpolitik aktuell gefahren wird.    

Ohne das es erkenntlich werden sollte scheint man so gerechnet zu haben, dass sich der Anlagenbetreiber respektive Energieproduzent und Energiehändler nicht in eine Kostendebatte einlassen möchte wenn sich herausstellen würde das Photovoltaik womöglich auch günstiger herzustellen ist und später daraus folgend unangenehme Fragen von Kunden kommen könnten.

Das wäre ab dem Zeitpunkt der Fall, der sicher noch in die 25 jährige Anlagenlaufzeit fallen wird, wenn auch Solarstrom die Netzpreisparität erreicht haben wird.

So aber hat man den Eindruck, der Großteil des Investitionskapitals wird nicht in die nötige Technik bzw. einer entsprechend größeren Anlagenkapazität investiert sondern vermehrt in ein Banken- bzw. Kapitalmarktgestütztes Investmentkonstrukt alias einer herkömmlichen (Staats-)Anleihe gesteckt mit dessen Rendite man in 25 Jahren den einstigen Panelkäufer wieder auszahlen kann. Das Kapitalmarktrisiko trägt angesichts der überschaubaren Summe womöglich noch der Energieunternehmer selbst der im Verlustfall mit seinen zahlenden Kundenbeitragen „einspringen“ könnte.

    Forderungen:

Die Reduzierung auf die Aussage "Ich bin ökologisch und an Fotovoltaik interessiert" wenn ich € 950 bezahle kann es nicht sein. 

Bei der Gelegenheit kann man auch gleich nach dem Schicksal der mit 1989 noch in einem anderen Jahrhundert errichteten 10 kWp Anlage bei ~8.500 kWh/p.a. auf 84 m² aktiver Fläche zu fragen die als Schuleigentum somit auch in Bund/Stadt Besitz bzw. Verwaltung steht [8].

Chronik:

Von den anfänglichen 2.100 Panelen waren

mit 28.12.2012 dem Auflagetag um 18:03 noch 1.437 Panele zu haben,

mit 28.12.2012 21:51 noch 975,5 Panele,

mit 28.12.2012 23 53 noch 904 Panele,

mit 29.12.2012 ~10:30 noch 479 Panele,

etwa Mittags nach 26 Stunden waren bereits alle verkauft.

Wie schon jetzt 29.2.2012 zu lesen ist geht es gleich mit dem nächsten Kraftwerksprojekt weiter. 

    Nachtrag: Das zweite Solarkraftwerk kann bereits gezeichnet werden. 

                        Am 2.3.2012 um 10:30 waren noch 1459 Panele verfügbar.

Auszug der Links & Quellen:  (Nachtrag 3/2022: Nachstehende Links sind nicht mehr abrufbar - Siehe archive.org)

  1. 28.2.2012: photovoltaik-shop . com/suntech-photovoltaik-anlage-einer-leistung-modul-suntech-s24ad-p-1463.html?osCsid=dcb8604ab9c1ced4a2805e952dcc2904

2.      28.2.2012: Polykristallines Modul 240 Wp   photovoltaikanlage . biz/kleinanzeige/polykristallines-modul-240-wp-1 

3.      28.2.2012: oem-ag . at/green_energy/Foerderantrag/Ablauf_Foerderung_Photovoltaikanlagen.html

4.      28.2.2012: eex . com/de/

5.      28.2.2012: buergersolarkraftwerk . at/eportal/ep/programView.do/pageTypeId/29964/programId/30156/channelId/-32540

6.      30.11.2011 wien . gv.at/umwelt-klimaschutz/buergerinnen-solarkraftwerke.html

7.      Heft Photon Januar 2010 S.106ff.

8.    htlwien10 .a t/index.php?option=com_content&task=view&id=54&Itemid=47

 

© W. Scheida Wien 2/2012 

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