Televisionen -
Buchvorstellung:
"Flugkörper der Deutschen
Luftwaffe und der USA mit Fernsehlenkung im II. Weltkrieg – Meilensteine der
Fernsehtechnik zwischen 1936 und 1945 und der Neustart des Deutschen
Fernsehens 1951 mit einer Gleitbombenkamera";
Herausgeber Merith Niehuss,
Verlag Peter Lang, ISBN: 978-3-631-60607-0
-
Es gab eine Zeit, in der die Fernsehbilder das erste Mal laufen
lernten. Leider war dies wie so oft bei technischen Erfindungen erst einmal
nur auf militärische Zielsetzungen ausgerichtet. Gewissermaßen der Krieg als
der Vater großer Entwicklungen. Dieser Beitrag stellt die Arbeit von
Fachautoren vor die sich diesen nicht alltäglich bekannten ersten Anfängen
gewidmet haben.
.
Zum Vergleich: Für eine frühe
zivile Anwendung
"laufender Fernsehbilder" sei auf die Arbeit des Autors dieser
Website verwiesen unter dem Titel:
RCA Walkie-Lookie "Peepy-Creepy"
tragbare Fernsehkamera mit Sender, oder als das Fernsehen laufen lernte

Bild: Band 11 der Militärhistorische Untersuchungen
Die Autoren Herr Günter
WICHMANN und Herr Botho STÜWE haben gemäß dem Titel den Spagat von der
Vorkriegsfernsehtechnik über die deutsche wie auch amerikanische Fernsehlenkung von Flugkörpern
hin zum Deutschen Nachkriegsfernsehen 1951 gewagt.
Dabei stellen sich Fragen,
deren Beantwortung in der Kurzrezension dem geneigten Leser eine
Auswahlhilfe sein kann.
Offenlegung:
Der Autor dieser Zeilen
erhielt ein kostenfreies Rezensionsexemplar.
Auf das Nichtvorhandensein
eines sonstigen Naheverhältnisses zu den Autoren oder dem Verlag sei der
Form halber verwiesen.
Diese Rezension erschien leicht abgewandelt auch in der Fachzeitschrift der GFGF -
Gesellschaft der Freunde der Geschichte des Funkwesens in der
"Funkgeschichte" Nr. 201; Februar/März 2012, S.32ff
Die Erscheinung:
Das Buch selbst bezeichnet
sich als Band 11 einer Reihe der Militärhistorischen Untersuchungen, was wiederum
auf die Kontinuität eines übergeordneten Themenkomplexes deutet und eine
auch kommerziell professionell publizistische Aufarbeitung des Themas
kündet.
Mit festem Einband im A5
Format versehen stellt das 498 Seiten starke Buch schon einmal äußerlich den
Charakter eines hochwertigen
Nachschlagewerkes dar.
Die Kapitelgliederung ergeht
sich neben dem Vorwort und einer
Einleitung in acht übergeordneten Themenkomplexen:
I.)
1936 – 1939
Fernsehrundfunk in Deutschland
II.)
Die
Reichspostforschungsanstalt
III.)
Fernsehen im II.
Weltkrieg
IV.)
1939-1945
Aufrüstung Deutschlands und Fernsehen in Peenemünde
V.)
Projekt
Tonne-Seedorf
VI.)
1945 Nutzen
deutscher Technologien für die Sieger
VII.)
1946-1951
Neufassung des öffentlichen Fernsehens in Deutschland
VIII.)
Zusammenfassung
Es folgen ein umfangreiches
Abbildungs-, Tabellen und Quellenverzeichnis.
Was verspricht das Buch?
Dem Kapitel und den Themen
entsprechend, möchte es eine eingehende Betrachtung der militärisch
genutzten Fernsehtechnik, mit dem Fokus auf Anwendungen
in Flugkörpern der jeweiligen
Luftwaffen in den USA wie
in Deutschland zur Zeit des II. Weltkrieges bieten.
Weit übergeordneter bzw. allgemein gehalten sollen Entwicklungen
fernsehtechnischer Meilensteine zwischen
1936 und 1945, bis hin zum Start des Deutschen Nachkriegsfernsehens gezogen werden.
Was kann es halten?
Das Buch bietet sehr
umfassend Erläuterungen zur Entwicklung
der Fernsehtechnik wie ebenso zur Entstehung der als Raketen bekannten
Antriebstechnik der eingesetzten Flugkörper.
Die organisatorische Struktur
der damaligen Institutionen, wie
auszugsweise der Reichspost und deren Zusammenwirken wie
auch das Gegenspielen mit anderen Kräften wird
sehr spannend lesbar beschrieben. In dieser Kompaktheit erzählt, ist es
sicher auch für viele andere Leser ein neuer Blickwinkel
auf die damaliegen Vorgänge hinter den Kulissen.
Eine sehr ausführlich verwendete begleitende Quellenangabe zu Fremdtexten
macht das Buch zudem zu einem brauchbaren Nachschlagewerk
für das vertiefende Studium.

Bild: Empfänger/Bildschirm Artefakt der Tonne-Seedorf Fernsehanlage im
Deutschen Technik Museum; © Wikipedia,
CC BY-SA 4.0;
German Museum of Technology, Berlin
2017 020;
Photograph by Mike Peel (www .
mikepeel . net).
Auffällig:
Als größtes Manko, vielleicht
betraf es auch nur mein Rezensionsexemplar, empfand ich die schlechte
Reproqualität der allermeisten Bilder, Schaltungen und Tabellen die im Buch
vorgefunden wurden. Dies teilweise bis hin zur Unlesbarkeit.
Da vereinzelt Fotos in sehr
guter Qualität, fallweise sogar
in Farbe abgedruckt sind, nehme ich an, dass die Rasterung in der
Druckvorbereitung Komplikationen verursacht haben könnte. Hier
wäre in jedem Fall ein Nachbessern
wünschenswert, sollte es zu einer weiteren
Druckauflage kommen.
Inwieweit füllen bereits Allgemeinfakten zum Thema
Fernsehen die Seiten?
Für welchen
Leserkreis ist es geschrieben?
Das breite Themenumfeld
veranlasste den Autor an vielen Stellen auch anderswo
publiziertes Wissen zu rezitieren was
einem Quereinsteiger zum Thema sicher hilfreich ist, der fachlich versierte
Leser sich hier jedoch eher eine noch spezifischere Informationsfülle zu den
Kernthemen wünschen wird.
Hier ist natürlich die
Quadratur des Kreises schwierig, wenn auszugsweise
der gewünschte
Fernsehgemeinschaftsempfang kontra dem Individualempfang als ein
Kontrollinstrument der politischen Führung, einmal mehr einen interessanten
Aspekt darstellt der die Fülle des verarbeiteten Materials belegt.
Leider
werden auch Legenden die sich im Laufe der Jahrzehnte
gebildet haben, aber auch nicht ausreichend differenzierte Kritiken der
letzten Zeit zur Selbstdarstellung einiger Personen zu unreflektiert
übernommen, was dem Leser keine
Hilfe in der Deutung der Vorgänge anbietet.
Der gestellte Anspruch auch
noch zum als NS-Fernsehen bekanntgewordenen
Fernsehdienst der Deutschen Reichspost, die Faktenlage klärend darstellen zu
wollen ist bei einem Buch mit knapp 500 Seiten dann
wohl schon etwas
zuviel des Guten.
Der geschichtliche und
organisatorische Aspekt und die aeronautischen Forderungen sind sicher auch
für einen Laien sehr gut beschrieben, und erklären anschaulich warum es
nicht möglich war einfach nur
eine Kamera in einen Flugkörper (Bombe) zu setzen. Bei der Darstellung der
Bildaufnahme-, Sende- und Empfangskomponenten kann sich der allgemein
gebildete Leser anhand der nötigen Baugruppen gut orientieren. Bei den
tiefer gehenden Schaltungsbetrachtungen wird
eine entsprechende Vorbildung von Vorteil sein.

Bild: Sender/Fernsehkamera Artefakt der Tonne-Seedorf Fernsehanlage
im Deutschen Technik Museum; © Wikipedia,
CC BY-SA 4.0;
German Museum of Technology, Berlin
2017 021;
Photograph by Mike Peel (www .
mikepeel . net).
Wird tatsächlich ein Zusammenhang militärischer
Nutzung für das zivile Fernsehen hergestellt?
Dieser Zusammenhang wird hergestellt. Und zwar
bei den USA hin zur Amateurnutzung der als Sur-Plus Ware veräußerten
Restkameras der US Streitkräfte. Auf die kommerziell zivile Nutzung der
Technik bzw. gewonnenen
Erfahrungen geht man nicht ein.
Ganz anders die Vorgangsweise bei der Nachnutzung der deutschen Relikte nach
Kriegsende. Hier wird eine
bereits in Vorkriegszeiten als bekannt bezeichnete IS 9 Super-Ikonoskop
Bildaufnahmeröhre, die offensichtlich unter gleicher Typenbezeichnung
während des Krieges weiterentwickelt worden
ist als vermutliche Basiskomponente für das deutsche Nachkriegsfernsehen
genannt.
Das diese Nachkriegskamera in
Zusammenhang mit der als "Tonne" bezeichneten Luftwaffentechnik
steht, ist jedoch für den Rezensenten nicht nachvollziehbar und ist nur als
ein mögliches Indiz verfolgbar. Was fehlt, das sind jeweils
Typenschildablichtungen und Schaltungsunterlagen die das bestätigen könnten.
Wie werden
die Ansätze in den USA und Deutschland verglichen und bewertet?
Hier
wird,
wohl aufgrund der räumlichen Nähe und
des Sprachraumes die Deutsche Entwicklung
umfangreicher beleuchtet, wenngleich
die Geräte und Einsätze der Technik in den USA in ebensolcher Sachlichkeit wenn auch in reduziertem Unfang beschrieben werden.
Nicht eingegangen ist man auf
den Unterschied den einmal die Ikonoskop Kamera im Vergleich zur Super
Ikonoskop Kamera ergeben müsste.
Die Technikbewertung führt für beide damaligen Kriegsgegner
letztlich zum gleichen Resultat, für das ich aber zum selbst Nachlesen des
Buches animieren möchte.
Wie neutral werden
die Entwicklungen in den beiden
Nationen verglichen?
Die Entwicklungen
selbst werden neutral und
sachlich beschrieben. Etwas verwundert jedoch der Umstand, dass ein aus einer
Drittliteratur entnommenes, seitenweise ins polemische abgleitende Auf- und
Abrechnen der Taten der ehemaligen Kriegsgegner in der Nachkriegszeit
hinsichtlich des geistigen Erbes und Menschenmaterials Deutschlands erfolgt.
Dies wäre nicht notwendig
gewesen.
Der Verbleib der Technik und
der Fachleute wäre hier in
sachlicherer und komprimierter Form sinnvoll zu erwähnen. Die allgemeinen
Auswirkungen der Nachkriegszeit werden
ohnehin in anderen Publikationen bereits umfassend beschrieben.
Fazit:
Ein interessantes Buch, in
denen die Autoren ihr Wissen und die in der Literatur schon angeführten
Informationen, ergänzt um Recherchen am wenig verbliebenen Originalgerät
zusammenführten und neu aufbereiteten.
Was fehlt, das ist eine
direkte tabellarische Gegenüberstellung der US und deutschen Kamerasysteme
zum Vergleich.
*Anmerkung:
Diese hat der Rezensent anhand der Bücher sowie weiterer Literatur im Anhang
ergänzt.
Gleichzeitig werden erneut die verbliebenen Lücken zur Forschung
des Themas sichtbar.
Und das sind u.a.:
- Die Unterschiede der einzelnen "Tonne" Typen; es
müssten mindestens vier sein?
- Das „Sprotte“ System des Herstellers LOEWE, wenngleich nur als Fertigungsmuster bekannt,
zeigt nochmalig mehr den hohen Stand der Forschung.
- Wieweit arbeitete das RPF
(Reichspostforschungsstelle), Telefunken und die FESE tatsächlich
zusammen bzw. inwieweit
erfolgten ein Austausch des Know-Hows und Schaltungen?
Wem als Hobbyleser knapp € 80,-
(2011)
als Bezugspreis zuviel sind, für den ist
die breitbandiger gehaltene und nicht minder informative Alternative auf dem
Gebrauchtbuchmarkt um etwa den halben Preis in folgender KOMBINATION
ans Herz gelegt.
Diese Quellen wurden auch ausführlich
im
rezensiertem Buch verwendet. In der Alternative fehlt jedoch die US Technik
zum Vergleich.
- Botho Stüwe: Peenemünde-West - Die
Erprobungsstelle der Luftwaffe für geheime Fernlenkwaffen und deren
Entwicklungsgeschichte, Weltbild Verlag, Augsburg, 1998,
ISBN 3-8289-0294-4 &
- Die CD-ROM von GFGF Mitglied Wolfgang-D.
Schröer: Lenkkörper und
Zielweisungsgeräte der deutschen Luftwaffe
ISBN 978-3-00-028549-3

Bild: Ringmappe von GFGF Mitglied
Wolfgang-D. Schröer: Zielweisungsgeräte der Deutschen Luftwaffe,
Teil II
*Vom Rezensenten erstellte Tabellen zum
Vergleich der US sowie Deutschen Funkkamerasysteme (Manche Details noch
unvollständig)
Tabelle 1: System & Sendervergleich
System |
Tonne P |
Tonne (HS293
D) |
FB 3 |
|
|
|
|
Teiler |
|
|
7:7:9 |
Zeilenzahl |
220 |
|
11.035 kHz |
Bilder/Sekunde |
50 |
|
25 |
Sendefrequenz |
|
|
|
Videobandbreite |
2 MHz |
2 MHz |
|
Preis: |
32.000 /
16.000 RM |
|
|
Fertigungszahl Stück |
400 |
|
|
Fertigungsdauer |
1943-1945 |
|
|
|
|
|
|
Sender |
Projekt P
Sender |
Tonne Sender
Typ: FB Sd 1 |
|
|
|
|
|
Arbeitsfrequenz |
70 MHz
60-90/100 MHz mit 5 fach Spulenrevolver |
400 - 450
MHz |
|
Modulation |
Positiv |
Negativ |
|
Sendeleistuung |
20 W |
10 - 20 W |
|
Röhren |
LD2 LV3 |
TU50 DU10 |
|
Antenne |
Lambda 1/2 Stab |
5 Element
Yagi |
|
Polarisation |
Vertikal |
Vertikal |
|
Reichweite |
7 km Land |
|
|
|
|
|
|
Systemversorgung |
24 V
Batt./Umformer 500 Hz |
24 V
Batt./Umformer 500 Hz |
|
Hersteller |
|
Fernseh
GmbH-FESE |
|
|
|
|
|
Empfänger |
|
Prinzip
siehe Telefunken Dezimeter Gerät DMG 3aG |
|
|
|
|
|
Frequenzbereich |
79/ 60 - 90
MHz |
400 MHz |
|
Antenne |
5/8 Lamda
Strahler |
? |
|
Empfindlichkeit |
30 µV ~ |
100 µV |
|
Zwischenfrequenz: |
8,4 MHz |
8,4 MHz |
|
|
Baugleich
austauschbar |
|
|
Systemversorgung |
24 V
Batt./Umformer 500 Hz |
|
|
Aufbau |
3 Einheiten |
|
|
Tabelle 2: Systemvergleiche
(Hewel bezieht sich auf die zivile
Fernsehanlage des Technikers Horst Hewel mit der in Hamburg das Deutsche
Nachkriegsfernsehen experimentell began.)
Land/Hersteller |
US |
US |
Tonne |
Horst Hewel |
Typenangabe |
RCA BC.1211
CRV-59AA |
SRC-549-T2 |
- |
- |
Zeilenzahl |
350 |
350 |
220 |
441/625 |
Bilder/Sekunde |
40 |
40 |
- |
50 |
Zeilensprungverfahren |
- |
- |
- |
Ja |
Rastererzeugung |
Intern |
Intern |
Intern |
Extern |
Synchronisierung |
|
|
|
|
Zusatzeinrichtungen |
Fernbedienbares Gelbfilter |
|
Beheiztes
Frontglas, Orientierungsmarken im Ikonoskopglas |
Blendensteuerungsmotor |
Nachteil |
|
|
Unterschiedliche Ikonoskoptypen pro Einsatzzweck mit Grün oder
Rotempfindlichkeit |
|
Stromversorgung |
Umformer |
|
Umformer |
220 V
Wechselstromnetzteil extern |
Leistungsaufnahme |
|
|
|
|
Größe |
|
|
|
|
Gewicht |
|
|
|
|
Bildaufnahmeröhre |
Ikonoskop |
|
Superikonoskop |
Superikonoskop ? |
Type |
1846 |
|
IS 9
Varianten ? |
IS 9 ? |
Ablenkung |
Magnetisch |
|
Magnetisch |
Magnetisch |
Stabilisierung der Heizspannung |
Über
Anodenspannung - HF Generator |
|
Eisen-Wasserstoff Widerstandsröhre |
Keine/
Handregelung |
Stabilisierung der Anodenspannung |
2
Spannungsreglerröhren |
|
Glimmlampenstrecke |
Keine |
Röhren |
Diverse |
|
RV12P2000
& RL12T1 |
E & U Röhren
der 11er Serie |
R. Anzahl ges. |
1 + 14 + 2 Spg. Regler |
|
29 |
10 (kein
Taktgeber) |
Kosten/Stück |
|
|
16.000 RM |
|
Gesamt Etat-Budget |
10 Mio US$ |
|
alleine 6.4 Mio RM errechnet
f. 400 Stück Tonne |
|
Siehe auch auszugsweise
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06.02.24